Freitag, 20. April 2012

Frauenkreis

Jeder hat Pläne und ganz persönliche Vorstellungen, die ihm sehr wichtig sind. Trotzdem geraten sie manchmal ganz plötzlich in Vergessenheit. Und bisweilen, ganz selten, wird man Jahre später an sie erinnert – auf die eine oder andere Art. Ein solches Deja-vu-Erlebnis hatte ich vor Kurzem.

Nachdem ich konfirmiert war, leitete ich mehrere Jahre lang zusammen mit einer Schulfreundin eine Jungschargruppe unserer Kirchengemeinde. Ich erinnere mich noch genau an diesen besonderen Nachmittag: Wir saßen und knieten mit den Jungscharkindern auf dem Boden und malten ein riesengroßes Bild, das als Bühnendekoration für ein Fest dienen sollte. Ich betrachtete lange die Kinder und fragte mich auf einmal, ob ich wohl in 20 Jahren noch immer Jungscharleiterin wäre. Und da war sie plötzlich geboren, diese völlig neue Idee.

Blitzartig war mir sonnenklar, dass genau hier meine innergemeindliche Zukunft läge, und darum verkündete ich die Idee sogleich aufgeregt meiner Kollegin:
 „Weißt Du was? Ich glaube, später übernehme ich mal einen Frauenkreis.“
 Sie schaute skeptisch.
 „Meinst Du wirklich?“, fragte sie irritiert.
 „Ja.“ Ich war ganz sicher.

Rückblickend muss ich wohl gestehen, dass ich damals nur eine recht vage Vorstellung davon hatte, was in so einem Frauenkreis eigentlich passiert. Wahrscheinlich hatte ich gedacht, mit den Damen, genau wie mit den Kindern, auf dem Fußboden zu sitzen und Bilder zu malen. Mit ihnen zu singen, ihnen Geschichten zu erzählen oder draußen mit ihnen herumzutollen. Nun gut, in allen Punkten lag ich nicht gänzlich falsch.

Doch die Zeit verging, und das eine oder andere Ziel verlor ich dabei aus den Augen. Erinnert an meine Hoffnung auf eine Zukunft als Frauenkreis-Leiterin wurde ich vor ein paar Wochen, ungefähr 30 Jahre, nachdem der Gedanke daran geboren worden war.

Während eines Besuchs bei einem Freund aus Kindertagen zwei Fahrstunden von meinem Wohnort entfernt, saßen wir in einem gemütlichen Café. Ein paar Tische weiter flüsterte eine ältere Dame aufgeregt mit ihrem Tischnachbarn. Immer wieder musterten die beiden mich und meinen Begleiter, ein wenig vorwurfsvoll, wie mir schien. Nach einer guten Weile erhob sich die Dame und kam an unseren Tisch.

„Guten Tag Frau Pfarrer“, sagte sie, und mir war, als täte sie dies mit leichter Ironie in der Stimme. Sie streckte mir die Hand hin, nicht ohne meinen Begleiter mit argwöhnischem Blick zu streifen. Ich schlug ein, erwiderte aber wahrheitsgetreu:
 „Ich bin keine Pfarrerin.“
 Die ältere Dame schüttelte den Kopf, machte eine wegwerfende Handbewegung und meinte:
 „Natürlich nicht. Aber Sie sind doch die Frau von Pfarrer Meier zwei Orte weiter.“
 Nun war es an mir, den Kopf zu schütteln.
 „Nein ich wohne gar nicht hier in der Gegend. Und diesen Pfarrer kenne ich auch nicht.“

Die Dame schaute mich eine Zeitlang prüfend an. Dann lächelte sie erleichtert und meinte, mit dem Kopf nickend:
 „Ach, da haben Sie aber wirklich Glück.“
 Ich war irritiert, und fast etwas zu schnell fragte ich:
 „Warum? Ist Pfarrer Meier denn so schlimm?“
 Jetzt lachte die ältere Dame laut auf.

„Nein, nein“, sagte sie, „er ist ein sehr guter Pfarrer. Und so nett. Aber, wissen Sie, wenn Sie gar nicht die Frau Pfarrer sind, dann brauchen Sie nicht jeden Sonntag in den Gottesdienst zu gehen, und Sie müssen auch keinen Frauenkreis leiten. Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, Sie hätten Glück.“

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